Dolmetschen und Übersetzen, ist das dasselbe?
(Für ganz Eilige gibt es am Ende des Textes eine Zusammenfassung.)
Die beiden Begriffe werden zwar häufig synonym verwendet, es sind aber eigentlich zwei unterschiedliche Berufe mit zwei unterschiedlichen Ansätzen, Inhalte von einer in die andere Sprache zu übertragen. Ganz grundsätzlich: Dolmetscher übersetzen das gesprochene Wort, Übersetzer das geschriebene. Während es beim Dolmetschen dabei mintunter schnell gehen muss und (oft) nicht auf jedes Detail ankommt, recherchiert der Übersetzer für komplizierte technische oder juristische Fachtexte oder feilt an dem perfekten Ausdruck für einen Marketingtext.
Stressresistenz
Dolmetscher werden beauftragt, wenn Menschen verschiedener Nationen auf Konferenzen, Tagungen oder in Meetings aufeinander treffen und miteinander sprechen. Der Beruf bringt es mit sich, dass man viel unterwegs ist.
Ein Dolmetscher sollte stressresistent sein, denn besonders das Simultandolmetschen in der Kabine ist sehr anstrengend. Ein einfaches Beispiel zum Ausprobieren: Man muss sich nur mal ein Video ansehen, in dem jemand eine Fremdsprache spricht und im Kopf zuhören und übersetzen. Die meisten Menschen verlieren nach wenigen Sätzen den Faden und können dem Sprecher nicht mehr folgen. Beim Dolmetscher kommt zum Zuhören und Übersetzen auch noch das Sprechen hinzu. Im Schnitt dolmetscht man 30 Minuten am Stück und wechselt sich dann ab.
Zur Konzentration kommt hinzu, dass man ein gutes Allgemeinwissen haben sollte und wissen muss, was auf der Welt gerade passiert. Denn wenn plötzlich unerwartete Themen zur Sprache kommen, bleibt wenig Zeit für Recherche. Manchmal kann dann auch mal so etwas dabei rauskommen, wie bei diesem charmanten Versprecher:
(am vierten Mai werde ich bei euch sein)
Dolmetscher arbeiten immer mindestens zu zweit in einer Kabine. Sie wechseln sich alle halbe Stunde ab. Das bedeutet aber nicht, dass der pausierende Dolmetscher komplett abschalten und in Gedanken seinen nächsten Urlaub planen kann. Wenn der Redner plötzlich mit Zahlen um sich wirft oder Fachbegriffe auflistet, greift der zweite Dolmetscher unterstützend ein und schreibt lange Zahlen auf.
Übersetzer übertragen das geschriebene Wort.
Sie spezialisieren sich meist auf ein oder mehrere Fachgebiete und übertragen verschiedenste Textformen von einer Sprache in die andere. Dabei kommt es nicht nur auf einzelne Worte, sondern auch auf den Textaufbau und die Gestaltung an.
Außerdem muss der Übersetzer regionale Besonderheiten und den kulturellen Hintergrund der Zielgruppe berücksichtigen. Einige bekannte Beispiele für Fälle, in denen das offensichtlich nebensächlich war, hat n-tv.de gesammelt: Autonamen wie der Mazda Laputa (im Spanischen die Hure), der Audi e-tron (französisch für Kot) oder der Mitsubishi Pajero (in Teilen Südamerikas für Wichser) werden die potenziellen Käufer in den jeweiligen Ländern wohl nicht begeistern können.
Auch abhängig davon, wo die Übersetzung am Ende landet, hat der Übersetzer große Verantwortung. Ein Unternehmen möchte in seinem neuen Produktkatalog keine Fehler sehen und offizielle Dokumente müssen präzise formuliert und makellos sein. Viele Übersetzer arbeiten deshalb mit dem Vier-Augen-Prinzip. Das bedeutet, dass immer ein Kollege Korrektur liest.
Vorwiegend Freiberufler
Ich mag die Abwechslung im Alltag, die Tatsache, dass ich als Dolmetscherin vor Ort bin und die Herausforderung, die jeder Auftrag mit sich bringt. Die Mehrheit der Übersetzer und Dolmetscher arbeiten wie ich freiberuflich. Sie sind damit ihr eigener Chef, können sich ihre Zeit flexibler einteilen, müssen sich aber auch um Buchhaltung, Werbung usw. kümmern.
tl;dr: Dolmetscher übersetzen mündlich, häufig parallel zu einem Redner oder mit kurzer Verzögerung, Übersetzer übertragen Texte oder Dokumente schriftlich von einer in die andere Sprache. Dolmetscher müssen extreme Denkarbeit leisten und äußerst stressresistent sein. Übersetzen erfordert eine absolute Sprachpräzision, vor allem bei offiziellen Dokumenten.